Kommentare (5)
baldowern
aus d. jid. baal dowor, der Baldower: Herr, Besitzer, Unternehmer, Führer (s. Hans Peter Althaus, Wörter jidischer Herkunft, Becksche Reihe)
wortklauber 06.12.2013
Jiddisch ist aber nicht gleich österreichisch:
Bei Hans Fallada z.B. findest sich's mehrmals, und in "Wer einmal aus dem Blechnapf fraß" (1934) ist's doch sehr, sehr, - na, norddeutsch halt:* Ach, du denkst, ich
baldowere für dich? Ziemlich lange Stille
* Wird schon eine feine Annonce sein", höhnte Batzke. Du kannst doch nicht
baldowern . Also hier", sagte Kufalt wütend, riß den Aschenbecher weg und legte das Häuflein Fünfzigmarkscheine bloß.
* Da muß einer mindestens zwei Wochen lang
baldowert haben. Und der Wächter hat natürlich niemanden gesehen", sagte der erste wütend.
* Batzke hatte wissen wollen, ob Kufalt noch immer die Auslage am Jungfernstieg unter Augen hatte. Und darum hatte ihm Ilse ihren gestrigen Abendbesuch gemacht, auch sie hatte bloß
baldowern wollen - für Batzke!
In Theodor Fontanes „Stechlin“ (1897): »Dann sagte Dubslav: „Engelke, das Kind fängt heute schon wieder von vorn an; es ist mit allen vier Bänden, so dick sie sind, schon zweimal durch; ich sehe, wir müssen uns was Neues
ausbaldowern. Das is nämlich ein Wort aus der Diebssprache; soweit sind wir nu schon..“«
Und Nataly von Eschstruth, eine der beliebtesten Erzählerinnen von Unterhaltungsromanen der wilhelminischen Epoche: »Er entfloh nicht aus Geiz oder Widerwillen vor seinem zähen Freunde, sondern lediglich aus Angst. Er traute ihm nicht.Er witterte einen Dieb, einen Mörder in ihm, der ihn
ausbaldowern wollte. « (Nataly [Auguste Karline Amalie Hermine] von Eschstruth : „Jung gefreit“, 1900, Bd. 2, S. 180, Reprint 2013)
http://tinyurl.com/krs2dag Koschutnig 06.12.2013
"Auskundschaften, erkunden" ja, doch "diskutieren" und gar "plaudern? Ach, nee!
Da ist "
palavern" dazwischen geraten - Motto: Fremdwörter sind Glücksache! - und das ist z.B. auch in Franken (Bayern) passiert, schreibt Alfred Klepsch: "Westjiddisches Wb.. Auf der Basis dialektologischer Erhebungen in Mittelfranken", Tübingen 2004 mit ganz ganz viel Spannendem über
jiddisches, rotwelsches und jenisches "baldowern" auf S. 311-315
http://tinyurl.com/onxn4axWo's nicht mit "palavern" vermischt bzw. verwechselt wird, ist
"baldowern" - und verdeutlicht:
"ausbaldowern" - als Gaunerwort des Rotwelsch stets in der Bedeutung "erkunden" zu finden! Seit 1902 steht "
ausbaldowern" im Rechtschreib-DUDEN, Synonyme: ausfindig machen, ausforschen, auskundschaften, ausspähen, erkunden, nachforschen; ausspionieren, spionieren Vor über einem Jh. findet es sich im köstlich-satirischen "Modernen Knigge":»Sehr viele Ehen sind auf Bällen angestiftet worden, und wenn Eheleute mit guten Gedächtnissen auf den Ursprung ihres so schönen Bundes zurückgehen, so werden sie wahrscheinlich auf einen Ball stoßen, auf welchem eine gewohnheitsmäßige Heiratsstifterin irgend ein Herz
baldowerte, das noch frei war und dessen sie sich sofort annahm. Wer also Lust verspürt, unverlobt den Ball zu verlassen, sei, wie gesagt, älteren Frauen gegenüber vorsichtig.« (Julius Stettenheim, "Der moderne Knigge. Leitfaden durch das Jahr und durch die Gesellschaft" - "1.: Leitfaden durch den Winter: Ball", Berlin 1899, 4. Aufl. 1906 )
http://tinyurl.com/m3pxnkn Wer nun meint, ja, damals… ; inzwischen aber hat's doch gewaltige Änderungen gegeben! - Hier sind junge Beispiele aus der Hamburger ZEIT:
* Dort hatten Anfang des 19. Jahrhunderts die beiden US-Bananenkonzerne United Fruit und Standard das Sagen. Zusammen mit dem US-Botschafter
baldowerten sie Wahlergebnisse und die Wirtschaftspolitik aus. (Die Zeit, 08.07.2009)
* Über 150 Vertreter von Plattenfirmen, Elektronikkonzernen und Software-Schmieden
baldowerten in den vergangenen Monaten eine Alternative zu MP3 aus.( Die Zeit, 08.07.1999)
* Die sozial-liberale Koalition hat im ursprünglichen Sinne des Wortes nun: abgewirtschaftet. Sie
baldowert immer wieder rechnerische Lösungen aus, wo strukturelle Lösungen vonnöten wären. (Die Zeit, 30.10.1981)
* Kompromißlos arbeitet Erwin Stegentritt auch als Autor mit der Sprache, er attackiert die Sprache,
baldowert sie aus, irritiert Benennungen, Beschreibungen, Erzählungen und evoziert magische Räume (Die Zeit, 11.10.1985)
* So
baldowern Bankräuber den Tatort aus (Die Zeit, 21.12.1979,)
* Um gleich richtig ins Geschäft zu kommen,
baldowerte er die Gewohnheiten des Chefs der größten Zigarettenfabrik aus (Die Zeit, 21.03.1975)
Koschutnig 06.12.2013
Der online-DUDEN schreibt gar:
"
Gebrauch: landschaftlich,
besonders berlinisch " (siehe: -
http://www.duden.de/rechtschreibung/baldowern)Wer mehr über jiddische Wörter im Deutschen wissen will, der schau hier:-
http://www.dw.de/dufte-jiddische-wörter-im-deutschen/a-4786777-1?maca=de-aa-vg-860-rdfz.B. "Sprecher:
Ich rede ja schon Klartext! Also: Erste Wörter aus dem Jiddischen kamen bereits im 16. Jahrhundert in die deutsche Sprache. Gelehrte hatten Interesse am Jiddischen, weil es hebräisch geschrieben wurde und sie dadurch Zugang zur hebräischen Sprache fanden. Doch vor allem Vaganten und Gauner lernten auf ihrer Wanderschaft jiddische Ausdrücke kennen, nahmen sie in ihre Geheimsprache auf und passten sie ihrem Milieu an. Wörter wie Schmiere stehen, Knast oder
baldowern erinnern uns doch sofort an die Niederungen des Lebens! Jiddisch schmiro für Wache, Wachposten, Wächter wurde in der Ganovensprache zu "beim Stehlen Wache stehen". Knas hieß im Jiddischen Geldstrafe, Knas geben, eine Strafe bezahlen. Daraus wurde in der Gaunersprache Rotwelsch die Freiheitsstrafe und im Berlinerischen das Gefängnis. Knast ist inzwischen überall in Deutschland der umgangssprachliche Ausdruck für Gefängnis.
Sprecherin:
Und
baldowern heißt doch
plaudern, oder?
Sprecher:
Ja, auch. Aber
ursprünglich war der baal dowor ein Herr, ein Besitzer und Unternehmer, auch ein Führer. Im Rotwelschen wurde daraus ein Anführer oder Auskundschafter bei einem Diebstahl. Baldowern bedeutet etwas auskundschaften, umgangssprachlich sagen wir auch etwas ausbaldowern, etwas herausfinden."
Compy54 06.12.2013
Siehe auch:
-
http://www.abgeordnetenwatch.de/ilse_aigner-575-37446--f268020.html"Frage zum Thema Sicherheit
07.10.2010
...
Sehr verehrte Frau Aigner,
wie schätzen Sie die Gefahr ein, dass Chefs von organisierten Einbrecherbanden von ihren Heimatländern aus mit Hilfe von Google Earth und Street View sehr bequem lohnende Objekte z.B. auch in der Bundesrepublik
ausbaldowern und dabei Kriterien beachten wie etwa einsame Lage und Größe der Anwesen, günstige Fluchtwege, Stabilität von Eingangstüren, Zugangsmöglichkeiten durch Gärten oder über Balkone, Vorhandensein von Swimmingpools, Luxuswagen in der Einfahrt, Alter und Gebrechlichkeit abgegoogelter Bewohner (trotz Verpixelung leicht zu erkennen), Entfernung zur nächsten Polizeistation usw. usw.? Ist es nach Ihrer Einschätzung ein interessantes Geschäftsmodell für kriminelle Dienstleister, irgendwo in Osteuropa am Computer systematisch günstigen Gelegenheiten auszuspähen und sie an einschlägige Organisationen weiterzugeben? Meiner Meinung nach birgt die Veröffentlichung von Geodaten gewaltige Rationalisierungsmöglicheiten für die Einbruchsbranche, weil sie sich weitgehend sparen kann, mühselig und risikoreich vor Ort Gelegenheiten auszuspähen. Sind Sie bereit, das Thema mit unserem diesbezüglich wenig besorgten Innenminister und ggf. im Bundestag zu erörtern?"
Compy54 06.12.2013