Thema: Zur Anregung, eine Lautschrift einzuführen

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Zur Anregung, eine Lautschrift einzuführen
12.12.2007 von Brezi

Zur Anregung, eine Lautschrift einzuführen
12.12.2007 von Brezi

Ein Gast hat im Büchl vorgeschlagen, man solle im Sinne einer möglichst eindeutigen Information, wie ein Wort auszusprechen sei, eine Lautschrift verwenden.

Dazu habe ich auf einen ersten Impuls reagierend, eine Antwort ins Gästebuch geschrieben, die ich aber im Nachinein nicht ideal fand (ich habe sie u. a. im Dialekt geschrieben, nur weil die Anfrage auch im Dialekt verfasst war, lauter blöde Ideen also; ich hoffe, dass die Löschung meines Gästebucheintrages erfolgreich war).

Nun will ich hier, an richtigerer Stelle, das Geschriebene neu formulieren.

(Für Eilige und solche, die's nicht zu "wissenschaftlich" lieben: bitte erst wieder beim roten Absatz weiterlesen!!!)

Also:

Die Idee einer Lautschrift ist an sich natürlich gut, denn sonst würden nicht die meisten Herausgeber professioneller Fremdsprachenwörterbücher eine verwenden.

Es gibt aber Probleme, die meines Erachtens in unserem Fall nicht unerheblich sind. Das wären:

1 - Ich kenne (allein im Wienerischen) laute, für die m. W. nicht einmal Langenscheidt adäquate Zeichen hat. Zum Beispiel:

1.1 Das extrem offene ö, wie es in äulig ("eilig") gesprochen wird. Dieser Laut ist weitaus offener als z. B der ö-Laut in frz. cœur. Dem steht ein weiterer ö-Laut gegenüber wie zum Beispiel in gföligst ("gefälligst"). Dieser ist geschlossener als der cœur-Laut, könnte aber behelfsmäßig durch das Lautschriftzeichen œ wiedergegeben werden.Dass es dann noch in ganz wenigen Wörtern des Wienerischen (aber auch des Oberösterreichischen) einen geschlossenen ö-Laut gibt (z. B. Ö ("Öl")) ist zwar kurios, aber ebenfalls kein Problem. Fast analog stellen sich die Probleme dar, die wir mit ü-Lauten haben (Heast, Gfüda, gräu owa vo meina Kühlahau'm, sunst spühts Granada, du Müüchgsicht!).

1.2 Eine Kategorie von Lauten im Wienerischen geht mit der jetzt erwachsen gewordenen Generation leider verloren. Das ist doppelt schade, weil uns gerade diese leichten Nasalvokale deutlich vom Westmittelbairischen (etwa Oberbayerns) abgegrenzt haben. Ich meine [u:1xn63dhs]nicht[/u:1xn63dhs] das voll nasalierte ã, das wie frz. 'cent' gesprochen wird (Da Frãnz is drã mitn Zãmrama ["Franz ist mit dem Saubermachen an der Reihe"]). Dieser ist noch weitgehend erhalten. Aber es gibt bei uns auch (noch!) das schwach nasalierte a, wie zum beispiel in naa ("nein") oder a Baa ("ein Knochen"). Jüngere SprecherInnen werden das jetzt bereits leugnen, denn sie verwenden für diese Wörter nur noch das gewöhnliche lange, helle aa (wie in Baaz, Radi, Saaf). Ähnliche Laute (die wie dieser immer aus der hochdt. Kombination Vokal+n entstehen), sind das nasalierte i wie in hii ("hin"), und das leicht nasalierte 'ei' (eigentlich ä) wie in eigschneibt ("eingeschneit", man beachte, dass die beiden 'ei' in dem Wort verschieden ausgesprochen werden (vorne nasal, hinten "gewöhnlich"). Darüber hinaus gibt es noch das nasalierte o wie in daffoo ("davon"), das mit dem Laut in frz. 'fond' identisch und problemlos durch o mit Tilde wiedergebbar ist.

1.3 Die fast (aber eben nur fast) elidierten Konsonanten in manchen Wörtern wie Ma(d)l ("Mädchen"), schrei(b)m ("schreiben) usw. Hier schreiben wir derzeit meistens einen Apostroph: Ma'l, schrei'm, sehen hier aber sofort das nächste Problem: das L in Ma'l wird auf Wienerisch ganz anders ausgesprochen als in hochdt. Mal oder Mahl!!! Zumindest ist das noch der Fall. Manche jüngere Sprecher sprechen das Wort "Parlament" bereits wie "Palatschinke" aus: Palament.

1.4 Das Wienerische kennt (derzeit noch) mehrere L-Laute. Während mancherorts das L in "laut" gleich ausgesprochen wird wie jenes in "Paul", machen wir Wiener sogar beim "Hochdeutsch"-Sprechen einen hörbaren Unterschied. Im ersten Fall liegt die Zungenspitze vorne oberhalb der Schneidezähne an, im anderen Fall ist sie nach hinten gebogen und berührt den vorderen Rand des Gaumens (retroflexes l). Das könnte, könnte man meinen, irrelevant sein, ist es aber nicht ganz, denn wie soll einer, der noch nie unseren Dialekt gehört hat, ahnen können, dass wir das L im Wort Kühler auf Hochdeutsch ganz anders aussprechen als im Dialekt. Ihr glaubt es nicht? Probiert es aus und checkt, was eure Zunge macht! Es funktioniert auch prächtig mit dem Wort "Playmobil", während bei Norddeutschen das Experiment negativ verläuft.

Dass es daneben noch ein drittes, ganz gefinkeltes L gibt (nach k, g, ch), das schon Südsteirern, Kärtnern und Tirolern erst nach jahrelangem Training gelingt, während wir Wiener es nur mit Mühe "abbeuteln" können (man denke daran, wie grausig es klingt, wenn ein Wiener "Musical" oder "George Clooney" sagt), ist hier zwar interessant zu erwähnen, aber nicht weiter von Bedeutung, da es kein eigenes Phonem ist. Manche "schön sprechende" Wiener beherrschen diesen kl-Laut gar nicht und sprechen Dackel fast wie ein Tiroler aus.

Noch etwas zum retroflexen L: Das konsequente Ersetzen aller L durch ein extrem retroflexes macht den typischen "Böhmakel"-Sound aus. Stellt euch einmal Maxi Böhm vor, wenn er folgenden Satz sagt: "Wenn einer (in Reichenberg, wo sonst?) beim Kegeln a Freispiel gehabt hat, ham s' den ganzen Saal abgedunkelt und nur die Kegelbahn beleichtet. So neigierig waren die Leit."




2 - Typographische Probleme

2.1 Zeichenvorrat.

Um in einer Lautschrift schreiben zu können, muss man auch über alle ihre Zeichen verfügen. In der von Microsoft zur Verfügung gestellten Zeichentabelle sind aber bei Weitem nicht alle Zeichen der Internationalen Lautschrift vorhanden. Man müsste also hier in Ostarrichi verbindliche Umschreibungen vereinbaren, etwa dass der sch-Laut nicht wie weitgehend üblich mit dem "Integral"-Zeichen transskribiert wird, sondern z. B. als š, wie in der ehemals osteuropäischen Literatur durchaus üblich.

2.2 Kompatibilität mit dem hier verwendeten Browser/Editor

Selbst wenn wir uns alle erforderlichen Zeichen holen können, müssen sie hier auch [u:1xn63dhs]wiedergegeben werden können[/u:1xn63dhs]. Niemand hat etwas davon, wenn die schönsten und exaktesten Lautzeichen nach Absenden des Eintrags als lauter Rechtecke oder Punkte erscheinen.

Somit kann ich in einem Satz sagen, was ich vorher in vielen, vielen Sätzen gesagt habe: Lautschrift ist gut, aber macht mehr Probleme, als wir uns auf den ersten Blick erträumen würden. Es gibt nicht für alle unsere Laute ein genormtes Zeichen und auch die, die genormt sind, sind nicht so ohne Weiteres zu beschaffen und korrekt wiederzugeben.

Jede hierzu angebotene linguistische und technische Hilfe wird aber, dessen bin ich mir sicher, mit Freude von unserer ganzen Gemeinde aufgenommen werden.

HG Brezi

Weiterführende Literatur zum Thema Transskribieren: siehe Eisenbahn, transskribierische

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